Gerd Mink

Anleitung zum Programm  „Genealogical Queries“ (Version 2.0)

Vorbemerkung

Die Version 2.0 des Programms „Genealogical Queries“ kann nur zusammen mit der zweiten Auflage der Editio Critica Maior (ECM) der Katholischen Briefe benutzt werden. Sie unterscheidet sich stellenweise von der ersten Auflage durch andere Wort- und/oder Variantenadressen an den variierten Stellen.

Das Programm „Genealogical Queries“ besteht aus fünf Modulen, mit denen die genealogischen Beziehungen, die die überlieferung des Neuen Testaments prägen, untersucht werden können.

Der genealogischen Durchdringung des in der Editio Critica Maior (ECM) verwendeten Materials liegt die Kohärenzbasierte Genealogische Methode (Coherence-Based Genealogical Method - CBGM) zugrunde. Diese Methode wurde während der Arbeit an der ECM entwickelt und setzt Studien an der Fülle und Komplexität der Daten voraus, wie sie erst im Laufe der Editionsarbeit anfielen.

Erst nach Veröffentlichung des letzten Faszikels des Textbandes der Katholischen Briefe standen genealogischen Daten für das gesamte Corpus zur Verfügung. Diese Daten führten zu einer Revision der bisherigen Textrekonstruktion in der ECM und damit zur zweiten Auflage der Katholischen Briefe. Die Revision resultiert in 12 Textentscheidungen, die sich von denen der ersten Auflage unterscheiden, sowie 43 Stellen mit gespaltener Leitzeile, an denen die Editoren keine Entscheidung zugunsten einer der in der gespaltenen Leitzeile angegebenen Texte fällen konnten.

All dieses führt zu Veränderungen bei den genealogischen Daten, also den Daten, die über die angenommene Priorität und Posteriorität von Varianten und dem daraus abgeleiteten genealogischen Verhältnissen von Zeugen Auskunft geben. Diese Daten liegen nun der Version 2 der „Genealogical Queries“ zugrunde.

Die Veränderung der Datenbasis wirkt sich auch auf die in den einzelnen Modulen von „Genealogical Queries“ angezeigten Resultate aus, und es gibt entsprechend Differenzen zwischen den Ergebnissen von Version 1 und Version 2 des Programms.

Den geringsten Einfluss hat, dass es infolge der Apparatrevision nun nicht mehr maximal 3046, sondern 3043 variierte Stellen gibt. Wichtiger sind die veränderten Textentscheidungen. In den Daten der ersten Version von „Genealogical Queries“ war die Entscheidung über den Ausgangstext an 125 Stellen offen gelassen worden, in der zweiten Version sind es nur noch 43 Stellen. Die neuen Entscheidungen führen jeweils zu Veränderungen der genealogischen Werte bei allen Zeugen, die an diesen Stellen eine nunmehr genealogisch anders bewertete Variante lesen.

Ein wichtiges Charakteristikum der CBGM ist eine iterative Vorgehensweise. Zunächst werden lokale Stemmata der Varianten unter Berücksichtigung der prägenealogischen Kohärenz (s.u.) aufgestellt. In ihrer Summe bilden sie die Grundlage für eine erste Gesamtschau der genealogischen Beziehungen zwischen den Handschriftentexten, die die genealogisch angeordneten Varianten bezeugen. Aufgrund dieses neu abgeleiteten äußeren Kriteriums werden die lokalen Stemmata überprüft, gegebenenfalls revidiert und um weitere ergänzt.

Der nächste Schritt ist dann die Revision der lokalen Stemmata der Varianten im Lichte der neu gewonnenen genealogischen Verhältnisse der Zeugen im Gesamtcorpus. Diese Revision ist abgeschlossen, soweit sie den rekonstruierten Ausgangstext in der 2. Auflage der ECM bestimmt und so sich auf das Verhältnis der Varianten zum jeweiligen Ausgangstext bezieht. Eine systematische Revision der lokalen Stemmata an Stellen, an denen die Textrekonstruktion nicht der Revision bedurfte, steht noch aus. Dabei können sich erneut veränderte genealogische Daten ergeben, die Auswirkungen auf die lokalen Stemmata haben.

Was wir mit den „Genealogical Queries“ präsentieren, ist also immer noch „work in progress“. An der Verbesserung von Layout, Funktionsweise und Benutzerführung wird kontinuierlich gearbeitet. Schon jetzt kann die Anwendung zur überprüfung der Daten und zur Einschätzung der Stabilität von Beziehungen genutzt werden. Heutige Abfrageergebnisse stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass die laufende Revision der lokalen Stemmata zu veränderten Resultaten führen kann. Wenn man das Programm benutzt, kann man leicht den Grad der Stabilität von Beziehungen sehen, und beurteilen, ob die gegenwärtige Revision möglicherweise zu Veränderungen von Vorfahren-Nachfahren-Verhältnissen führen könnte.

Wichtig: Bei der Benutzung aller im Rahmen der CBGM erhobenen Ergebnisse (sowohl in „Genealogical Queries“ selbst als auch in der Literatur) muss man die jeweils zugrunde liegende Datenbasis beachten!

 

 

0. Datengrundlage und Voraussetzungen

Im Apparat der Editio Critica Maior der Katholischen Briefe werden 3043 variierte Stellen zitiert. Zu jeder Stelle ist ein lokales Stemma der Varianten angelegt worden. Es stellt eine Hypothese darüber dar, welche Variante aus welcher entstanden ist, erklärt also Varianten als prioritär (Quellvarianten) oder posterioritär in ihrem Verhältnis zueinander. Wenn eine solche Hypothese als zu unsicher erschien, wurde auf die Benennung einer Quellvariante verzichtet.

Die Quellvariante, die an einer variierten Stelle keiner anderen Variante gegenüber posterioritär ist, stellt jeweils den Ausgangspunkt der gesamten Textgeschichte an dieser Stelle dar. Sie ist Teil des rekonstruierten Ausgangstextes (initial text) der überlieferung. Dem rekonstruierten Ausgangstext wurde ein hypothetischer Zeuge „A“ zugeordnet. Im allgemeinen stimmt dieser Ausgangstext mit der Leitzeile der ECM überein. Es gibt jedoch eine Reihe von Stellen, an denen im genealogischen Verfahren darauf verzichtet wurde, einen Ausgangstext zu rekonstruieren. Er wurde dann dort so behandelt, als hätte er eine Lücke.

Die lokalen Stemmata der Varianten basieren auf den üblichen textkritischen Verfahren. Zusätzlich wurde bei der ersten Aufstellung solcher Stemmata die prägenealogische Kohärenz ausgewertet. Sie beruht ausschließlich auf der übereinstimmung von Zeugen und ermöglicht die Aussage:

                       Zeuge x stimmt mit Zeuge y in n Fällen bzw. in p % aller Fälle überein.

Wenn die prägenealogische Kohärenz zwischen den Bezeugungen zweier Varianten zu gering ist, kann zumindest eine genealogische Beziehung zwischen diesen Varianten als sehr unwahrscheinlich angesehen werden.

Durch die lokalen Stemmata der Varianten wird auch eine genealogische Beziehung zwischen Zeugen hergestellt, und zwar wenn ein Zeuge, verglichen mit einem anderen, öfter oder seltener eine Quellvariante zu der Variante des anderen Zeugen an den variierten Stellen aufweist. Es entsteht eine genealogische Kohärenz. Sie ermöglicht zwei Aussagen:

                       Zeuge x liest in n Fällen bzw. in p % aller Fälle die Quellvariante der Variante von Zeuge y

                       Zeuge y liest in n bzw. in p % aller Fälle die Quellvariante der Variante von Zeuge x

Daraus resultiert eine der drei folgenden Aussagen:

                       Zeuge x liest in mehr Fällen die jeweilige Quellvariante als Zeuge y.

                       Zeuge y liest in mehr Fällen die jeweilige Quellvariante als Zeuge x.

                       Zeuge x und Zeuge y lesen gleich häufig die jeweilige Quellvariante.

Wenn die erste der drei Aussagen zutrifft, ist  Zeuge x ein potentieller Vorfahre von Zeuge y. Trifft die zweite Aussage zu, ist es umgekehrt. Trifft die dritte zu, gibt es zwischen den beiden Zeuge keine genealogische Richtung.

Wichtig! Unter einem Zeugen wird der Textzustand (ohne Korrekturen) verstanden, den wir in einer Handschrift mit fortlaufendem Text vorfinden, nicht also die Handschrift selbst. Der Text einer Handschrift kann sehr viel älter sein als die Handschrift. So kann also durchaus eine Zeuge, der in einer Handschrift aus dem 10. Jhd. belegt ist, potentieller Vorfahre eines Zeugen sein, der in einer Handschrift aus dem 5. Jhd. belegt ist.

Die stemmatische Kohärenz, die definitive Hypothese über den einfachsten genealogischen Zusammenhang aller Zeugen, ist in dem Programm „Genealogical Queries“ (noch) nicht berücksichtigt.

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1. Modul „Potential Ancestors and Descendants

a. Zweck des Moduls

Das Modul wertet die genealogische Kohärenz zwischen Zeugen aus und kann so zwischen potentiellen Vorfahren und Nachfahren unterscheiden. Begründet wird das Vorfahren-Nachfahren-Verhältnis und damit die genealogische Kohärenz durch den Anteil von Varianten in einem Zeugen, die gegenüber den entsprechenden Varianten des Vergleichszeugen prioritär (Quellvarianten) oder posterioritär sind. über die Stärke der genealogischen Kohärenz entscheidet allerdings das Maß der übereinstimmung.

Die genealogische Kohärenz zwischen Vorfahren und Nachfahren hat also zur Bedingung, dass der Vorfahr über einen größeren Anteil prioritärer Varianten verfügt, und ist umso stärker, je mehr Vorfahre und Nachfahre übereinstimmen.

Das Modul ermöglicht eine gute Einschätzung des textgeschichtlichen Umfelds eines Zeugen. Außerdem lässt sich abschätzen, welche Zeugen eine Chance haben, Vorfahren in einem Stemma zu werden.

b. Die Eingabemaske

Generell werden in allen Eingabemasken die Gregory-Aland Handschriften-Nummern zur Bezeichnung der Zeugen verwendet. Möglich ist nur die Eingabe von Nummern von Handschriften mit fortlaufendem Text (keine Lektionare).

Man hat nun die Auswahl, ob man kleinere Fragmente bei der Suche nach potentiellen Vorfahren berücksichtigen will. Im allgemeinen wird man darauf verzichten, da (1) sie aufgrund ihres geringen Umfangs wenig aussagekräftig sind und daher in der genealogischen Analyse selten eine Rolle spielen dürften und (2) sie die übersichtlichkeit sehr stören. Sie befinden sich in größerer Zahl am Anfang der Ergebnisliste (wenn sie Textstellen bieten, die kaum variiert sind, und sie deshalb mit fast allen Zeugen zu 100% übereinstimmen), und sie befinden sich am Ende der Liste, wenn genau das Gegenteil der Fall ist (Beispiel Zeuge 307, Option „Include Minor Fragments“).

Zusätzlich zu den potentiellen Vorfahren kann man sich auch die potentiellen Nachfahren anzeigen lassen. Das ist von Interesse, wenn man das gesamte nähere Umfeld eines Zeugen sehen will und vor allem wenn man in einem ausgefallenen Zeugen das Ende einer „Sackgasse“ der überlieferung vermutet.

Die Datenbasis kann ebenfalls gewählt werden. Einzelbriefe zu wählen ist vor allem dann von Interesse, wenn der Textcharakter eines Zeugen innerhalb der Katholischen Briefe wechselt, so dass man an jeweils unterschiedliche Vorlage denken kann. Vorsicht ist jedoch bei den kleineren Briefen geboten, insbesondere bei 2Jh und 3Jh, da die Datenbasis schmal ist und sich hinter Abweichungen von 1% in 2Jh und 3Jh nur max. 1 variierte Stelle verbirgt, in Jud max. 2 Stellen (bei Jak z.B. max. 7 Stellen, bei den gesamten Katholischen Briefen max. 30).

c. Das Resultat

In der überschrift findet man drei Prozentwerte, die helfen, die übereinstimmungswerte in der Tabelle darunter einzuschätzen: den Anteil von Varianten des Mehrheitstextes (MT)* an den Varianten des gewählten Zeugen sowie den Prozentwert der durchschnittlichen übereinstimmung (AA = Average Agreement) und das Mittel (den Median) der übereinstimmungswerte (MA = Median Agreement) aufgrund eines Vergleichs mit allen einbezogenen Zeugen.

Die Ergebnistabelle (Beispiel Zeuge 81, Optionen default) zeigt die potentiellen Vorfahren (W2 = witness 2) des gewählten Zeugen (W1 = witness 1). Sie sind nach übereinstimmung mit W1 absteigend geordnet. Unter PERC1 (= percentage 1) findet man die prozentualen übereinstimmungswerte, unter EQ (=equal) die absoluten. Man muss sie in Beziehung setzen zur Gesamtzahl aller Stellen, die sowohl in W1 als auch in W2 vohanden sind. Man findet die Anzahl unter PASS (= passages). Die höchste erreichbare Anzahl ist 3043, wenn sich der Vergleich auf alle Katholischen Briefe erstreckt und beide Vergleichszeugen alle variierten Stellen des Corpus enthalten.

Bei allen genealogischen Auswertungen spielt die angenommene Priorität oder Posteriorität von Varianten eine entscheidende Rolle. Wenn im Folgenden Varianten als prioritär oder posterioritär bezeichnet werden, entspricht dieses den Annahmen, die in den lokalen Stemmata der Varianten gemacht werden.

Die Spalte W1<W2 gibt die Anzahl der Fälle, in denen W2 eine prioritäre Variante gegenüber W1 hat, eine Variante also, aus der sich die Variante von W1 vermutlich entwickelt hat. Die Spalte W1>W2 zeigt die Anzahl der Fälle, in denen W1 die prioritäre Variante aufweist. Wenn der Wert in W1<W2 größer ist als der in W1>W2, ist dadurch W2 als potentieller Vorfahre ausgewiesen. Die Differenz beider Werte macht auch eine Aussage über die Stabilität der Relation von W1 und W2 (des sog. „speziellen Textflusses“). So kann sich das Verhältnis von 81 und 35 umkehren, wenn man die Genealogie ihrer Varianten an nur einer Stelle verändert. Sehr große Differenzen der beiden Werte sind allerdings ein Zeichen entsprechend geringerer übereinstimmung und damit entfernterer Verwandtschaft der Zeugen.

Sind die Werte in W1<W2 und in W1>W2 gleich (wie im Beispiel bei 1448), gibt es zwischen den Zeugen keine genealogische Richtung. In diesem Falle sieht man in der Spalte D (= direction) ein „-“. Diese ungerichteten genealogischen Beziehungen müssen vor allem bei einem hohen Verwandschaftsgrad von W1 und W2 einbezogen werden. Auch in solchen Fällen würde sich die Situation ändern, wenn man die Genealogie der Varianten an nur einer Stelle anders beurteilt, und es entstünde eine gerichtete genealogische Beziehung.

In der Spalte NR (= number) sind die potentiellen Vorfahren nach ihrem übereinstimmungsgrad durchgezählt. Weisen Vorfahren den gleichen übereinstimmungsgrad auf, erhalten sie die gleiche Rangnummer. Die Spalte NR enthält eine „0“, (1) wenn eine ungerichtete genealogische Beziehung vorliegt (siehe im Beispiel 81 bei 1448) und (2) wenn ein Zeuge bei der Option „Data Source: All Catholic Letters“ nicht in Jak, 1Pt, 2Pt, 1Jh und mindestens einem der kleineren Briefe vorhanden ist. Da in einem solchen Fall gleichwohl eine genealogische Richtung zwischen den Zeugen vorliegen kann, steht dann in der Spalte D ein „>“. Dies kommt seltener vor. Ein Beispiel findet man, wenn man sich die potentiellen Vorfahren des Zeugen 33 ausgeben lässt (siehe 048 unter W2).

Eine „0“ befindet sich auch in der Spalte NR bei den kleinen Fragmenten, die gezeigt werden, falls man die Option „Include Minor Fragmentswählt. Die „0“ bedeutet in jedem Fall, dass die entsprechenden Zeugen unter W2 in den weiterführenden genealogischen Auswertungen nicht als potentielle Vorfahren berücksichtigt werden.

Ein niedriger Wert in der Spalte NR ist günstig für eine Chance, dass ein potentieller Vorfahre auch stemmatischer Vorfahre in einem Stemma ist. Da ein Stemma den Textbestand eines Zeugen aus einer möglichst geringen Zahl von Kontaminationsquellen erklären soll, kann jedoch auch ein hochgradig übereinstimmender Zeuge als Vorfahre überflüssig sein, wenn es als Kontaminationsquellen Zeugenkombinationen ohne ihn gibt, die alle Varianten des Nachfahren erklären, und etwaige Zeugenkombinationen mit ihm umfangreicher wären.

In der Spalte UNCL (= unclear) findet man die Anzahl der variierten Stellen, an denen keine Entscheidung getroffen wurde, ob W1 oder W2 die prioritäre Variante aufweist.

Die Spalte NOREL (= no relation) zeigt die Anzahl der variierten Stellen, an denen W1 und W2 verschiedene Varianten lesen, die aber keine unmittelbare Beziehung zueinander haben (wenn z.B. W1 Variante b liest und W2 Variante c, die prioritäre Variante zu beiden aber Variante a ist).

Bei der Option „Show Descendants“ werden auch die potentiellen Nachfolger gezeigt. Die Liste entspricht im Aufbau der der potentiellen Vorfahren, nur ist jetzt der Wert unter W1<W2 kleiner als der unter W1>W2.

d. Wie kann man das Resultat auswerten?

(Beispiel Zeuge 468, Optionen default)

Der Zeuge des hypothetischen Ausgangstextes „A“ hat den höchsten Rang unter den potentiellen Vorfahren. Wenn er sich bei den höheren Positionen einer solchen Liste befindet, ist der Zeuge W1 besonders interessant. In solchen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass W1 ohne Vermittlung eines weiteren erhaltenen Zeugen an manchen Stellen ältesten Text bewahrt hat. Man muss freilich auch auf den übereinstimmungswert achten. Da in der älteren überlieferungsschicht fast alle Zwischenglieder fehlen, ist ein Wert von über 91% übereinstimmung mit „A“ dort gut. Dieser Wert, bezogen auf „A“, wird nur von 18 der Zeugen überschritten.

Die folgenden Parameter dienen der Einschätzung, welche übereinstimmungswerte als relativ hoch oder niedrig gelten können. „A“ stimmt zu 89,63% mit dem Mehrheitstext (MT) überein. Der durchschnittliche Wert für die übereinstimmung aller Zeugen mit „A“ (AA) ist 89,10%. Der Median (MA), oberhalb und unterhalb dessen die übereinstimmungswerte jeweils der Häfte der Zeugen liegen, ist 89,27%. Hinweis: Man erhält eine Liste aller Relationen zu „A“, absteigend angeordnet, wenn man in diesem Modul den Zeugen „A“ eingibt und die Option „Show Descendants“ wählt.

Zum Vergleich: Der niedrigste überhaupt vorkommende übereinstimmungswert beträgt 77,805% (bei 1241 und 1838), der höchste 99,056% (bei 614 und 2412). Der durchschnittliche Wert von übereinstimmungen überhaupt ist 87,495%, der Median 87,312%, bezogen auf die Zeugen, die in dieser genealogischen Auswertung berücksichtigt sind und unter denen diejenigen mit byzantinischem Text nur durch eine Auswahl vertreten sind. Der Durchschnitt läge also bedeutend höher, wenn alle erhaltenen Zeugen aufgenommen worden wären.

 

468 stimmt zu 94,30% mit dem Mehrheitstext (MT) überein. Der durchschnittliche Wert für die übereinstimmung mit 468 (AA) ist 90,54%. Der Median (MA), oberhalb und unterhalb dessen die übereinstimmungswerte jeweils der Häfte der Zeugen liegen, ist 91,02%.

Auf die besondere Qualität von 468 weist schon die Kürze der Vorfahrenliste hin. Die übereinstimmungen mit 03, 1739, 04 (alle erstklassige Zeugen) sind mit 87% für ebenfalls alte überlieferungsschichten noch akzeptabel. Sie kommen als Kontaminationsquellen durchaus in Frage, wenn die Zwischenglieder, die zu den ältesten überlieferungsschichten eine Verbindung schaffen könnten, offensichtlich verloren sind. In der jüngeren überlieferung gibt es zwar sehr nahe Verwandte von 468 (mit übereinstimmungswerten, die bei zehn Zeugen deutlich über dem MT-Wert in 468 liegen), aber sie zählen nicht zu den potentiellen Vorfahren.

Läßt man sich bei der Option „Show Descendants“ die potentiellen Nachfahren zeigen, sieht man dort auch die nächsten Verwandten von 468, und zwar in großer Zahl und mit sehr hohen übereinstimmungswerten. Auch hier ist die Differenz zwischen den Werten unter W1<W2 und W1>W2 zu beachten. Ist sie sehr gering, könnte aus einem potentiellen Nachfahren bei wenigen Veränderungen in den lokalen Stemmata ein potentieller Nachfahre werden.

Wie man die übereinstimmungswerte einschätzen muss und vor allem die jeweils sehr charakteristische Art, wie sie im Verlauf der Tabelle absinken, ergibt sich am ehesten, wenn man möglichst viele solcher Tabelle gesehen hat.

(Beispiel Zeuge 1739, Optionen default)

Nur zwei potentielle Vorfahren werden angezeigt. Sie haben sich auch als stemmatische Vorfahren erwiesen, d.h. dass alle Stellen, an denen 1739 Text hat, entweder (1) mit „A“ oder 03 übereinstimmen oder (2) sich aus Varianten von A oder 03 entwickelt haben, zumindest mittelbar. Die übereinstimmung mit „A“ ist sehr hoch (und wird nur noch von 03 übertroffen).

(Beispiel Zeuge 81, Option „Show Descendants“)

Die Liste ist zwar länger als die zu 468, aber man beachte, dass der enthaltene Prozentbereich im Wesentlichen ziemlich schmal ist (nur 1,2 Prozentpunkte Differenz zwischen Rangnummer 2 und 13 und daher eine geringere Bedeutung der Rangnummerndifferenz). „A“ ist an erster Stelle mit gutem übereinstimmungswert, der noch deutlich vor dem von 1739 liegt, einem Zeugen, der sich den zweiten Rang mit 35 teilt. Die mit „A“ übereinstimmenden Varianten könnten weithin mit den übereinstimmungen mit 1739 identisch sein, da 1739 mit „A“ hochgradig übereinstimmt. Mit 1739 und 35 als einem Zeugen des byzantinischen Textes kommen zwei sehr unterschiedliche potentielle Kontaminationsquellen in Frage. Im Verlauf der Liste folgt eine ganze Reihe von Vertretern des byzantinischen Textes aber schließlich erscheinen mit nicht viel weniger übereinstimmung 04 und 03.

Die Differenz der Werte unter W1<W2 und W1>W2 ist bei 35 und weiteren „Byzantinern“ nicht groß, erst bei 468 erheblicher. Bei anderer Beurteilung von Variantenverhältnissen, könnten also aus potentiellen Vorfahren auch Nachfahren werden. Bei der vorliegenden Datenlage kann man jedoch an eine Kontamination aus unterschiedlichen textgeschichtlichen Richtungen denken.

Bei den potentiellen Nachfahren gibt es keine nahen Verwandten. Bei den relativ nächsten Verwandten ist die Differenz zwischen W1<W2 und W1>W2 so groß, dass von ihnen keiner bei anderer Beurteilung einiger Varianten zum Vorfahren werden dürfte.

(Beispiel Zeuge 1735, Option „Show Descendants“)

1735 ist ebenfalls ein Zeuge ohne sehr nahe Verwandte, wie sowohl die Liste der potentiellen Vorfahren als auch die der potentiellen Nachfahren zeigt. Es macht deutlich, dass man mit Kontaminationsquellen von sehr unterschiedlichem Textcharakter rechnen muss. 02 und „A“ erscheinen unter Rang 1 und 2, 81 unter Rang 5. Die Genannten sind schon sehr unterschiedlich. In eine völlig andere Richtung weisen dann die übrigen Zeuge, darunter Kernzeugen des byzantinischen Textes wie 424, 468, 307, 617, 35, 18 und weitere in etwa gleichem Abstand von 1735. Die Differenzen zwischen den Werten unter W1<W2 und W1>W2 sind bei diesen Zeugen beträchtlich, so dass die potentielle Vorfahren-Nachfahren-Relation unempfindlicher gegen Veränderungen bei den lokalen Stemmata ist als beim vorigen Beispiel.

(Beispiel Zeuge 01, Option „Show Descendants“)

„A“ weist die größte übereinstimmung auf. Sehr schnell sinken die Werte auf unter 85%. Dann besteht zu einer extrem großen Anzahl von Zeugen unterschiedlichsten textgeschichtlichen Standorts nahezu äquidistanz im Bereich zwischen 84-85%.

Das Bild passt sehr gut zu einem Zeugen mit sehr vielen Individualvarianten (Varianten, die er allein aufweist oder nur zufällig mit anderen teilt).

Die Liste potentieller Nachfahren spricht dafür, dass der Text von 01 eine textgeschichtliche Sackgasse darstellt (extrem große Entfernung von den nächsten Verwandten).

(Beispiel Zeuge 1661, Option „Show Descendants“)

Es gibt einen sehr nah verwandten potentiellen Vorfahren, 996. Dann folgen ab ca. 90% eine Reihe von byzantinischen Zeugen. 996 und 1661 sind offenbar Sonderlinge, die sich vom byzantinischen Text abgespalten haben und sich von ihm an etwa 300 Stellen unterscheiden.

Es passt zu solchen Sonderlingen, dass die wenigen potentiellen Nachfolger eine solch große Entfernung zu ihnen haben, dass sie niemals als Nachfolger in einem Stemma in Frage kämen. Bei 378 etwa steht 1661 bei den potentiellen Vorfahren an 97. Stelle!

 

 

2. Modul „Comparison of Witnesses

a. Zweck des Moduls

Das Modul ermöglicht es, das Verhältnis von Zeugen zueinander von Schrift zu Schrift zu vergleichen, um etwaigen Vorlagenwechseln bzw. Wechseln der Kontaminationsquellen auf die Spur zu kommen. Liegen auffällige Veränderungen der übereinstimmungswerte oder der Werte unter W1<W2 und W1>W2 bei einem Teil des Corpus vor, kann man der Sache weiter nachgehen, indem man sich die potentiellen Vorfahren der Zeugen auf der Basis der Einzelschriftdaten ansieht.

b. Eingabemaske

Hier kann man nur die zu vergleichenden Zeugen eingeben. In diesem Modul wird man vor allem einen Vergleich eines Zeugen mit dem hypothetischen Zeugen des Ausgangstexts „A“ vornehmen sowie den Vergleich relativ nah verwandter Zeugen.

c. Das Resultat

Im Resultat sieht man unter W1 und W2 die verglichenen Zeugen, unter DIR (= direction) die genealogische Richtung der Beziehung („-->“ , wenn W1>W2 einen höheren Wert zeigt als W1<W2, „<--“, wenn es umgekehrt ist). Die Angaben beziehen sich jeweils auf die unter WRIT (= writing) angegebenen Schriften, in der letzten Zeile (CL = Catholic Letters) stehen dann die Werte für das gesamte Corpus. Unter NR findet man die Nummer in der Rangfolge der potentiellen Vorfahren, und zwar auf der Basis der Daten des unter WRIT genannten Bereichs. Alle anderen Spalten haben die gleiche Bedeutung wie im Modul „Potential Ancestors and Descendants“.

Wenn unter WRIT Schriften fehlen, ist mindestens einer der verglichenen Zeugen dort nicht vorhanden.

Die Daten für 2Jh, 3Jh, Jd sind wegen der geringen Textgrundlage wieder mit Vorsicht heranzuziehen.

Durch die Anwahl von „View Differences“ kann man sich schriftweise die Abweichungen der Vergleichszeugen ausgeben lassen. In der Tabelle sieht man unter W1 und W2 die Vergleichszeugen und unter VAR1 und VAR2 deren jeweilige Varianten. Unter DIR findet man die in den lokalen Stemmata angenommene genealogische Richtung zwischen diesen Varianten. In dieser Spalte steht „U“ (= unclear), wenn im lokalen Stemma über die Relation des betroffenen Variantenpaares keine Entscheidung getroffen wird, und „N“ (= no relation), wenn keine unmittelbare genealogische Verbindung zwischen den Varianten hergestellt wird.

d. Wie kann man das Resultat auswerten?

(Beispiel Zeugen „A“ und 1739)

Man sieht durchgängig ein hohes übereinstimmungsniveau, ein sogar extrem hohes in 1Jh. Deutlich geringere Werte findet man bei 3Jh und Jd. Beim 3Jh besagen sie wegen der geringen Datenmenge – jede abweichende Variante vermindert die übereinstimmung um einen Prozentpunkt – und der Art der Variation nicht viel.

(Beispiel Zeugen „A“ und 03)

Hier ist das übereinstimmungsniveau noch erheblich höher und gleichmäßiger.

(Beispiel Zeugen 18 und 35)

Diese beiden wichtigen Vertreter sind sich sehr ähnlich Die Differenz der Werte unter W1<W2 und W1>W2 sind sehr gering oder 0. Dass die genealogische Richtung in Jak nicht dem allgemeinen Trend entspricht, besagt bei den geringen Differenzen nichts, die einen ohnehin nur schwach ausgebildeten Trend zeigen.

(Beispiel Zeugen „A“ und 665)

Bei 2Pt gibt es eine sensationell hohe übereinstimmung. Man muss allerdings bedenken, dass etwa die Hälfte des 2Pt in 665 fehlt. Vergleicht man jetzt den nächstverwandten potentiellen Vorfahren von 665, nämlich 93, mit 665, erhält man sehr hohe übereinstimmungswerte überhaupt und vor allem bei 2Pt. Man könnte jetzt „A“ und 93 bei 2Pt vergleichen, den 93 fast vollständig hat. Der übereinstimmungswert ist bei 2Pt zwar nicht mehr so extrem hoch wie bei „A“ und 665, aber doch noch auf auffällig höherem Niveau.

(Beispiel Zeugen „A“ und 044)

Die übereinstimmungswerte sind sehr uneinheitlich und weisen bei 2Pt einen extremen Einbruch auf. Gleichwohl ist dort „A“ potentieller Vorfahre auf Rangnummer 8 (Rangnummer 1 hat 623), für die gesamten Katholischen Briefe sogar auf Rangnummer 1 (vgl. die Werte unter NR). 044 hat eine ganze Reihe von Besonderheiten, die er mit keinem anderen Zeugen teilt. Dazu passt dieses Bild. 044 stellt im übrigen auch das Ende einer textgeschichtlichen Sackgasse dar.

 

3. Modul „Coherence in Attestations

a. Zweck des Moduls

Das Modul ermöglicht sog. Textflussdiagramme innerhalb von Bezeugungen und zeigt außerdem die möglichen Verbindungen zu Bezeugungen anderer Varianten an derselben variierten Stelle.

Exkurs: Textfluss ergibt sich aus dem genealogischen Gefälle zwischen den Zeugen. Er enthält Varianten, die gleich bleiben, aber auch solche, die Basis von Veränderungen sind.

Es werden unterschiedliche Arten von Textfluss unterschieden. Der generelle Textfluss führt ganz allgemein von früheren zu späteren Textformen. Die Position eines jeden Zeugen innerhalb dieses generellen Textflusses lässt sich durch die genealogische Kohärenz mit seinen nächsten Verwandten bestimmen (vgl. Modul „Potential Ancestors and Descendants“). Der spezielle Textfluss ist derjenige, der dann zwischen Vorfahre und Nachfahre jeweils festgestellt wird. Er enthält die Varianten, die der Nachfahre übernommen hat, und die, die er zum Ausgangspunkt einer Veränderung genommen hat. Der globale Textfluss wird im globalen Stemma der Zeugen dargestellt und setzt stemmatische Kohärenz voraus, also die definitive Hypothese darüber, welche möglichst kleine Vorfahren­kombination den Text eines Nachfahren gänzlich erklärt. Der lokale Textfluss ist derjenige, der innerhalb einer bestimmten Bezeugung oder innerhalb der Bezeugungen aller Varianten an einer bestimmten Textstelle stattfindet. Der lokale Textfluss kann auf genealogischen oder stemmatischen Kohärenzen beruhen.

In diesem Modul geht es um einen auf genealogischen Kohärenzen basierenden lokalen Textfluss.

b. Die Eingabemaske

Die Variantenadresse ist nach dem in der ECM üblichen Adressierungssystem einzutragen (Kapitel, Vers, Wortadresse jeweils für Anfang und Ende der variierten Stelle, Kennbuchstabe der Variante; bei 2Jh, 3Jh und Jd muss „1“ für das Kapitel eingegeben werden).

Als Datenbasis sollte man im Normalfall die gesamten Katholischen Briefe wählen. Es werden dann die genealogischen Kohärenzen für die Beziehungen der Zeugen zugrundegelegt, die aufgrund des Gesamtcorpus erhoben wurden.

Die Einzelschrift wird man als Basis wählen, wenn man bei der Option „Catholic Letters“ Inkohärenzen findet, die den Verdacht nähren, dass Zeugen innerhalb des Corpus die Vorlage gewechselt haben.

Als Fragmente gelten bei der Option „Catholic Letters“ die Zeugen, die nicht in Jak, 1Pt, 2Pt, 1Jh und mindestens einem der kleineren Briefe vorhanden sind. Fragmentierungen größeren Umfangs können eine genealogische Bewertung ganz unmöglich machen.

Man kann eine Einschätzung der Konnektivität einer Variante vornehmen. Die Konnektivität ist die Fähigkeit einer Variante, Vorfahren und Nachfahren genealogisch miteinander zu verbinden. Sie hängt von zwei Dingen ab: (1) vom Verwandtschaftsgrad der beteiligten Zeugen, d.h. von ihrer generellen übereinstimmung, und (2) vom Charakter der Variante. Mit anderen Worten: Bei hochgradig verwandten Zeugen stützt auch die übereinstimmung in Belanglosigkeiten das Verwandtschaftsverhältnis – die gemeinsamen Varianten sind konnektiv; bei geringerem übereinstimmungsgrad wird man eher die zufällige Mehrfachentstehung einer Variante in Erwägung ziehen, wenn dieses ihr Charakter nahelegt. Handelt es sich jedoch um eine Variante, bei der eine zufällige Mehrfachentstehung unwahrscheinlich ist, so ist sie auch konnektiv bei geringer übereinstimmung der beteiligten Zeugen.

Je nach Einschätzung der Konnektivität werden die potentiellen Vorfahren ausgewertet solange die entsprechende Rangnummer nicht überschritten wird. Der Defaultwert der Rangnummer ist 10. Bei Allerweltsvarianten, bei denen man eine hohe Fluktuation der Zeugen vermutet, wählt man die Option „Low“ oder macht von der Möglichkeit eines benutzerdefinierten geringeren Wertes Gebrauch. Dort wählt man einen höheren Wert, falls die Variante aufgrund ihres Charakters so konnektiv ist, dass sie auch weniger verwandte Zeugen verbinden soll. Die Option „Absolute“ erzwingt auf jeden Fall die Kohärenz aller Zeugen derselben Variante. Diese Option eröffnet auch eine gute Möglichkeit, zu sehen, wie weit die Zeugen in einer Bezeugung voneinander entfernt sind, da die Rangnummer aus der Liste der potentiellen Vorfahren angezeigt wird (s.u.).

Es gibt die Möglichkeit, die Variante auszuwählen, die den Ausgangstext der überlieferung darstellt. Dabei erlaubt das Programm nicht, keine Variante zu wählen. In der Defaulteinstellung geht das Programm davon aus, das diese Variante a ist, auch dann wenn in lokalen Stemmata keine Entscheidung über den Ausgangstext getroffen wird.

c. Das Resultat

Das Resultat ist ein Graph, der den auf genealogischen Kohärenzen beruhenden lokalen Textfluss zeigt. Dabei weisen die Pfeile jeweils vom (potentiellen) Vorfahren auf den (potentiellen) Nachfahren innerhalb der Bezeugung. Wenn man im Modul „Potential Ancestors and Descendants“ eine Liste potentieller Vorfahren zu einem Nachfahren im hier ausgegebenen Graphen abrufen würde, würde man bei dem Vorfahren, von dem der Nachfahre in diesem Graphen abgeleitet wird, unter NR eine Rangnummer finden. Wenn diese Rangnummer 1 ist, wird sie im Graphen nicht beim Nachfahren vermerkt, da dieser Fall überwiegt. Ist die Rangnummer größer als 1, wird sie nach einem Schrägstrich beim Nachfahren angegeben.

Bis zu welcher Rangnummer die potentiellen Vorfahren ausgewertet werden, richtet sich danach, welche Konnektivität ausgewählt wurde.

Wenn zu einem Nachfahren innerhalb derselben Bezeugung kein potentieller Vorfahre mehr gefunden wird, wird in den Bezeugungen der anderen Varianten an dieser Stelle danach gesucht. Die Fundorte (Varianten) werden dann außerhalb des Rahmens, der die aktuelle Bezeugung umgibt, angegeben, und zwar mit dem entsprechenden potentiellen Vorfahren. Nun wird die Rangnummer, die der potentielle Vorfahre in der Vorfahrenliste des Nachfahren hat, nach der Bezeichnung des Vorfahren angegeben.

Man hat somit einen überblick, von welchen Varianten man die aktuelle Variante überhaupt ableiten kann.

Man kann sich den Inhalt des Graphen auch als Tabelle ausgeben lassen („Show Table“). Das ist nützlich, wenn der Verlauf der Pfeile zu unübersichtlich wird. In der Tabelle werden die Zeugen in Generationen eingeteilt (G1-G10). G0 ist die Generation von Zeugen, die sich bei der Variante befinden, von der die aktuelle ableitbar ist. Die Bezeichnung dieser Variante befindet sich unter VARID. Unter N0-N10 befinden sich Rangnummern. Das Lesen einer solchen Tabelle wird im nächsten Beispiel erläutert.

Außerdem gibt es eine Option „Show Local Stemma“. Sie führt zur Einblendung eines lokalen Stemmas der Varianten an der ausgewählten Stelle. Solche lokalen Variantenstemmata sind zu allen variierten Stellen geschaffen worden, um von den Variantenrelationen ausgehend die genealogische Kohärenz der Zeugen in einer Schrift oder im Gesamtcorpus zu errechnen. Im Modul „Coherence in Attestations“ werden solche genealogischen Kohärenzen von Zeugen wieder zurückprojiziert auf die Varianten einer Stelle. Dabei kann es passieren, dass im lokalen Stemma der Varianten angenommene Relationen nicht mit dem Resultat, das in diesem Modul erzielt wird, kompatibel ist (wenn z.B. das lokale Stemma eine Variante aus einer anderen ableitet, zu der es laut Resultat aus diesem Modul keine Verbindung über genealogisch kohärente Zeugen gibt). Solche Widersprüche sind wichtige Hinweise dafür, dass das lokale Stemma wahrscheinlich revidiert werden muss. Die lokalen Stemmata basieren auf den Kohärenzdaten der Einzelbriefe und die Kohärenzdiagramme bei entsprechender Option auf den Daten des Gesamtcorpus! Vgl. die Vorbemerkung und den Hinweis am Schluss dieser Anleitung. In lokalen Stemmata kann ein Fragezeichen anstelle einer Quellvariante auftauchen, ferner können Variantenbezeichnung aufgeteilt sein (z.B. b in b1 und b2) oder zusammengelegt sein (z.B. b und c zu b!). Vgl. dazu die Erläuterungen zum Modul „Local Stemmata“.

d. Wie kann man das Resultat auswerten?

(Beispiel Jak 2,3/50-56b, Optionen default)

Man sieht die gesamte Bezeugung der Variante im Rahmen, aufgeteilt in drei Zweige (einer besteht nur aus 999). Bei der gewählten Konnektivität ist also das Ergebnis, dass die Variante möglicherweise dreimal entstanden ist. Die Quellen stehen außerhalb des Rahmens. Als Quelle wird jeweils nur Variante a angeboten. Der nächstverwandte potentielle Vorfahr zu 642 wäre dort 424. Innerhalb der Bezeugung von Variante b lässt sich keiner der potentiellen Vorfahren von 642 mit einer Rangnummer von 1 bis 10 finden. So geht es auch mit 1739. Bei Variante a ist „A“, der hypothetische Zeuge des Ausgangstextes, sein nächstverwandter potentieller Vorfahr.

Zu den meisten Zeugen innerhalb der Bezeugung von Variante b findet man einen potentiellen Vorfahren mit der Rangnummer 1, die ja nicht angegeben wird. Aber 1739 hat, bezogen auf den Nachfahren 025 die Rangnummer 2, ablesbar an der Verzeichnung 025/2. 025 hat bezogen auf den Nachfahren 1448 die Rangnummer 8. Dass das υπο von Variante a mehrfach unabhängig voneinander in das die Lesart erleichternde επι (Variante b) verändert worden ist, ist plausibel.

Wenn man nun für die Konnektivität die Option „Low“ wählt, wird 025 nicht mehr als Vorfahre von 1448 akzeptiert. 1448 bekommt nun einen eigenen Zweig und wird von 35, seinem nächstverwandten potentiellen Vorfahren bei Variante a, abgeleitet.

Will man nun wissen, wie weit die Zeugen, die unabhängig voneinander aus Variante a abgeleitet werden, voneinander entfernt sind, wählt man die Option „Absolute“. Man sieht nun, dass es entsprechend der Option nur noch einen Anschluss über 1739 an die Variante a gibt. Aber man verfolge jetzt den Weg von 025 über 1448 und 642 zu 999 mit immer schwächer werdenden genealogischen Kohärenzen! In der Liste potentieller Vorfahren von 999 (erreichbar, wenn man dort die Option „Include Minor Fragments“ wählt) steht 642 mit der Rangnummer 39!

Ich kehre bei der Konnektivität noch einmal zu der Option „Average“ zurück, um dann die zum Graphen gehörige Tabelle zu öffnen („Show Table“) und sie mit dem Graphen zu vergleichen. In der Tabelle findet man unter G0 die außerhalb des Rahmens stehenden Zeugen (von denen Zeugen innerhalb des Rahmens abgeleitet sind). Die Variante, die sie lesen, ist unter VARID angegeben. Unter G1 findet sich Nachfahren von Zeugen unter G0, z.B. 642 als Nachfahre von 424. 424 hat als potentieller Vorfahre die Rangnummer 1, ersichtlich unter N0. Unter G2 finde ich die Nachfahren von 642 in der Zeile von 642 und unterhalb dieser Zeile, bis in der Spalte G1 eine neuer Zeuge auftaucht, 999. Unter N1 finde ich die Rangnummer, die der Vorfahre (unter G1) in der Vorfahrenliste eines Nachfahren (unter G2) hat. Alle diese Informationen kann man auch dem Graphen entnehmen.

Eine sehr wichtige kommt aber hinzu. Sie befindet sich jeweils in den Feldern PEV0, PEV1 usw. (PEV = percentage of equal variants). Der Prozentwert 93.371 in der ersten Zeile unter PEV0 gibt so die übereinstimmung von 424 (G0) und 642 (G1) an. Er entspricht dem Wert, den man findet, wenn man im Modul „Potential Ancestors“ nach den potentiellen Vorfahren von 642 sucht. Er steht dort unter PERC1.

Die Rangnummern sind zwar ein Anhaltspunkt dafür, wie die Chance ist, dass ein potentieller Vorfahre auch zu einem stemmatischen Vorfahren in einem optimalen Substemma wird. Der Wert für die prozentuale übereinstimmung muss jedoch ergänzend hinzugezogen werden, um die Möglichkeit von nur zufälligen übereinstimmungen abzuschätzen.

Wie unterschiedlich die Beziehung von Rangnummer und übereinstimmungswert sein kann, sieht man an diesem Beispiel: Wenn man man unter G2 den Zeugen 025 aufsucht, findet man als nächstverwandten potentiellen Vorfahren in dieser Bezeugung 1739 (unter G1). 1739 hat die Rangnummer 2 (unter N1) und eine übereinstimmung von 88.769% (unter PEV1). Der Zeuge 025 ist wiederum potentieller Vorfahre von 1448 (unter G3). Der übereinstimmungswert beträgt 88.772% (unter PEV2), die Rangnummer von 025 ist 8 (unter N2). Die Rangnummern sind in diesem Beispiel also ganz unterschiedlich bei vergleichbaren übereinstimmungswerten. Für eine präzisere Einschätzung dieses Sachverhalts empfiehlt sich ein Blick jeweils auf die Gesamtliste der potentiellen Vorfahren (Modul „Potential Ancestors“). Bei der Vorfahrenliste von 025 sieht man, dass vom näheren genealogischen Umfeld, soweit es die Vorfahren angeht, praktisch nichts erhalten ist. Nur 2298 findet man noch vor 1739, zwischen 2298 und 025 ist jedoch keine genealogische Richtung zu bestimmen. Spuren des näheren genealogischen Umfeldes wird man also nur noch bei Zeugen mit relativ geringem übereinstimmungsgrad finden. Ganz anders sieht es bei 1448 aus. Die Liste seiner potentiellen Vorfahren zeigt ein dichtes genealogisches Umfeld im Bereich von 92 und 91%. Demgegenüber fällt die übereinstimmung mit 025 schon merklich ab.

Ich gehe noch einmal zurück zu „Coherence in Attestations“ und wähle die Option „Low“. Ich möchte wissen, was passiert, wenn ich Variante b zum Ausgangstext erkläre (Initial Reading b). Der Graph verändert sich nun stark dadurch, dass der hypothetische Zeuge „A“ jetzt seine Quelle darstellt. Theoretisch wäre es möglich, das Variante b der Ausgangstext ist. Aber trotzdem hätte ein Teil der Bezeugung (642, 999 und 1448) den Text aus Variante a entwickelt und 642 sowie 1448 hätten ihn an Nachfahren weitergereicht.

Wenn man sich unter den gleichen Optionen das Diagramm für Variante a ausgeben lässt, wird die gesamte Bezeugung dieser Variante über 03 an „A“ bei Variante b angeschlossen. Auch dieses ist theoretisch möglich. Sehr ungewöhnlich ist aber, dass die Zeugen im obersten, 03 nahen Bereich die Variante niemals von potentiellen Vorfahren mit der Rangnummer 1 übernommen haben (vgl. die Zahlen nach dem Schrägstrich). Die meisten von ihnen haben nämlich „A“ als höchstverwandten potentiellen Vorfahren, wie man sieht, wenn man a als „Initial Reading“ wählt.

Falls man, da επι auf jeden Fall bei einem Teil der Zeugen aus υπο entstanden ist (wenn Variante b der Ausgangstext ist), eher einen Trend von υπο zu επι annimmt, stellt sich die Frage, ob auch Variante a (υπο) gelegentlich aus Variante b (επι) entstanden ist. Wenn man bei „Initial Reading“ a einsetzt, erhält man ein Diagramm, das eine perfekte Kohärenz aufweist. Fast alle Nachfahren knüpfen an potentielle Vorfahren mit der Rangnummer 1 an.

Man könnte nun auf die Idee kommen, dass die kürzeste Variante c den Ausgangstext bietet. Setzt man bei Initial Reading c ein und lässt sich für c das Diagramm zeigen, wird tatsächlich zum Zeugen 044 der hypothetische Ausgangstextzeuge „A“ als potentieller Vorfahre mit der Rangnummer 1 gewählt. Aber die Rangnummer sagt nicht alles.

Wenn man in einem neuen Browserfenster das Programm noch einmal öffnet und sich im Modul „Potential Ancestors and Descendants“ die potentiellen Vorfahren von 044 anschaut, stellt man fest, dass dieser Zeuge keine nahen Verwandten hat. Die übereinstimmung mit „A“ ist am größten, aber sie liegt mit 88,671% hinter dem zurück, was man bei guten Zeugen erwarten kann (vgl. den besten Zeugen bei Variante a 03 mit 95,995%, bei Variante b 1739 mit 93,003%, den besten byzantinischen Zeugen 468 mit 91,341%).

Wenn man Variante a als „Initial Reading“ wählt und sich das Diagramm erneut anschaut, wird nahegelegt, eine Entstehung aus Variante a oder b anzunehmen, wobei b vom Wortlaut her näher liegt.

Bei den Varianten f und g, die gemeinsam das pleonastische ποδων haben und sich durch υπο…σου (f) und επι… μου (g) unterscheiden, könnte man sich fragen, wie sie untereinander zusammenhängen und ob es einen Zusammenhang gibt mit υπο bei Variante a bzw. επι bei Variante b. Das Diagramm zu Variante f bietet als Quellvarianten a und b an, und man wird sich dafür entscheiden, a zu akzeptieren – wegen der gleichen Präposition und vielleicht wegen des potentiellen Vorfahren mit der besseren Rangnummer. Das Diagramm für Variante g bietet bei der Option „Low“ für die Konnektivität als Vorgängervarianten a und f an, wobei nur f wegen des Wortlauts zu akzeptieren wäre, es ergibt sich aber keine Verbindung zum επι der Variante b. Diese entsteht erst bei der Option „Average“ zu dem potentiellen Vorfahren 218 mit der Rangnummer 9. „Show Table“ zeigt dass 02 bei f einen niedrigen übereinstimmungswert mit 33, dem Zeugen von g, hat, jedoch der von 218 bei b ist noch beträchtlich niedriger. 33 hat überhaupt nur einen näher verwandten potentiellen Vorfahren, 2344 bei Variante a. Geht man davon aus, dass ohnehin επι mehrfach aus υπο enstanden ist, wird man auf die Verbindung von b und g verzichten, die ja die Verbindung von f und g nicht überflüssig machen würde.

Bei Variante d (παρα), die theoretisch aus a oder b entstanden sein kann, zeigt das Textflussdiagramm, dass nur eine Entstehung aus Variante a möglich ist. Sollte man auf die Idee kommen, Variante d für den Ausgangstext zu halten („Initial Reading“ = d), zeigt das Diagramm, dass man dann für diesen Ausgangstext keinen erhaltenen Zeugen hätte, da sich 398 nicht mit „A“ verknüpfen lässt. Bei der Option „Absolute“ für die Konnektivität kommt erst eine Verbindung zwischen „A“ und 398 zustande. Der übereinstimmungsprozentsatz mit „A“ (siehe „Show Table“) von 89,595% ist gering und vor allem wegen der vielen Verwandten von 398 im Bereich von 91% nicht akzeptabel, es sei denn sehr schwerwiegende innere Kriterien sprächen für diese Variante.

 

4. Modul „Coherence at Variant Passages

a. Zweck des Moduls

Das Modul soll den überblick über alle Relationen zwischen den Varianten einer Stelle ermöglichen.

Man kann das Resultat als Zusammenfassung aller Resultate auffassen, die man bekommt, wenn man das Modul „Coherence in Attestations“ auf alle Varianten einer Stelle anwendet.

b. Die Eingabemaske

Sie ist abgeleitet aus der Eingabemaske des Moduls „Coherence in Attestations“. Die meisten Optionen befinden sich auch dort (s.o.). Zusätzlich findet man eine Optionsgruppe „Display Mode“. Die Option „Qualified: All Interrelations “ zeigt die Verbindungen, die auf der Basis der jeweils stärksten genealogischen Kohärenz zwischen Zeugen verschiedener Varianten möglich sind. Demgegenüber führt die Option „Qualified: Interrelations of the first order only “ zu einer Einschränkung des Resultats: Es werden nur noch die Verbindungen zwischen den Varianten gezeigt, wenn, bezogen auf den Nachfahren der potentielle Vorfahre in einer Vorfahrenliste die Rangnummer 1 hat.

c. Resultat und Auswertung

(Beispiel Jak 2,3/50-56b, Optionen default)

Die Textflüsse, die von potentiellen Vorfahren mit der Rangnummer 1 ausgehen, sind blau dargestellt, alle anderen grün. Die Zahlen, die sich bei den grünen Verbindungen befinden, geben die Rangnummer des potentiellen Vorfahren an.

 

5. Modul „Local Stemmata

Dieses Modul dokumentiert die lokalen Stemmata: graphische Darstellungen der angenommenen Genealogie von Varianten. Es werden in den lokalen Stemmata nur Varianten berücksichtigt, die von ersten Händen griechischer Handschriften mit fortlaufendem Text geboten werden.

In die Eingabemaske ist die Variantenadresse nach dem in der ECM üblichen Adressierungssystem einzutragen (Kapitel, Vers, Wortadresse jeweils für Anfang und Ende der variierten Stelle; bei 2Jh, 3Jh und Jd muss „1“ für das Kapitel eingegeben werden).

Das Modul dokumentiert die lokalen Stemmata. Sie stellen jeweils eine Hypothese über die Genealogie der Varianten dar.

In der Regel steht an der Spitze des lokalen Stemmas die Variante a, der Text des rekonstruierten Ausgangstextes „A“. An den Stellen, an denen im genealogischen Verfahren auf die Rekonstruktion des Ausgangstextes verzichtet wurde, steht an der Spitze des lokalen Stemmas ein Fragezeichen (z. B. Jak 4:14/8). Das Fragezeichen wird auch in allen anderen Fällen verwendet, in denen die Quelle einer Variante nicht bestimmt werden konnte (z. B. 1Pt 2:21/16-22). Dabei steht, wie in diesem besonders eindrücklichen Fall, „?“ nicht für eine gemeinsame fragliche Quellvariante, vielmehr ist die jeweilige Quellvariante fraglich, auf die die Pfeile weisen. Im Beispiel ist also die Quellvariante in sieben Fällen fraglich.

Achtung: Bei den lokalen Stemmata der Varianten kommt es vor, dass (z.B. Jak 1:12/31) eine Variante b als b1 und b2 dargestellt wird. In diesen Fällen ist wegen starker genealogischer Divergenzen innerhalb einer Bezeugung eine Variante logisch in zwei aufgeteilt worden, um unterschiedliche Teile der Bezeugung an Zeugen unterschiedlicher Varianten anknüpfen zu können. Das Gegenteil geschieht, wenn im lokalen Stemma (z.B. Jak 3:16/8-10) eine Variante b! erscheint. Das Ausrufungszeichen bedeutet, dass die Variante b mit weiteren Varianten zu logisch einer Variante und entsprechend die Bezeugungen zu einer Bezeugung zusammengefasst worden sind. Das geschieht, wenn Varianten z.B. auf dem Wechsel von ει und η oder ο und ω beruhen (bei vielen Indikativ-/Konjunktiv-Varianten) und man nicht uneingeschränkt Rückschlüsse auf die Vorlage ziehen kann, die ein Kopist gehabt haben mag.

 



* Die Varianten des Mehrheitstextes wurden mit Hilfe einer Auswahl nahezu reiner Repräsentanten des Byzantinischen Textes bestimmt (vgl. ECM IV,2, Begleitende Materialien, 2.2 Codices Byzantini). Wo diese Repräsentanten auf eine Spaltung der byzantinischen Bezeugung hinweisen, kann die Mehrheitslesart nicht eindeutig bestimmt werden. Die entsprechenden Stellen wurden bei der Bestimmung des MT -Wertes im Modul „Potential Ancestors and Descendants“ nicht berücksichtigt.